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Leben mit Achalasie - Resilienz

Karin Schubert


Jede/r kennt sicherlich mehr oder weniger das Gefühl, dass einen alles überrollt, dass plötzlich alles gleichzeitig kommt und über einem die Wolke schwebt „Ich schaff‘ das nicht“ und man sich unendlich gestresst fühlt. Und insbesondere, wenn man dann auch noch von einer Erkrankung selbst betroffen ist, die deutlich
die eigenen Grenzen aufzeigt, ist es manchmal richtig schwierig, stetig seine Bahn zu ziehen und die Herausforderungen des täglichen Lebens zu meistern.
Dazu benötigen wir Resilienz, also unsere psychische Widerstandskraft. Sie ist dehnbar wie ein Gummiband, und zerreißt hoffentlich nicht! Wenn ein Orkan tobt, dann erkennt man anschließend, dass die Birke abgeknickt ist, der Bambus sich aber wieder aufrichtet. „Ich möchte sein wie der Bambus!“


Resilienz brauchen wir um Krisen zu bewältigen. Und dabei ist Resilienz keine Eigenschaft, sondern Resilienz ist eine Aktivität, eine Haltung, eine persönliche
Leistung, die sogar auch erlernbar ist.
An dieser Stelle kann ich nur ganz kurz auf die 7 Schlüssel der Resilienz eingehen, möchte aber herzlich empfehlen, dass Ihr Euch tiefergehend mit Eurer eigenen Resilienz auseinandersetzt. Dies kann man natürlich einerseits durch Recherche im Internet, durch geeignete Lektüre und auch durch den Besuch eines
entsprechenden Kurses, z. B. bei der Volkshochschule.
Die 7 Schlüssel der Resilienz sind
1. Akzeptanz.
Was letztlich bedeutet, dass ich in der Lage bin, eine Krise zu erkennen und sie anzunehmen.
2. Optimismus.
Meine positive Grundhaltung blendet das Schwierige nicht aus, aber sieht es als schaffbar an.
3. Selbstwirksamkeit.
Ich kenne meine Stärken und ich gehe meinen eigenen Weg!
4. Verantwortung.
Es liegt in meiner eigenen Entscheidung, ob ich leiden möchte oder ob ich die Opferrolle verlassen
möchte!
5. Netzwerkorientierung.
Ich muss lernen, Hilfe und Nähe zuzulassen. Ohne Freunde geht es nicht.
6. Lösungsorientierung.
Ich lerne, schwierige Situationen zu analysieren und erste Schritte zur Normalität zu gehen.
7. Zukunftsorientierung.
Nach einer Niederlage kann ich mein Leben neu ausrichten!
Wie aber kann sich durch Selbsthilfe Resilienz entwickeln? Der eben beschriebene Artikel gibt darüber Aufschluss. Die Autorin ist im Rahmen einer Diplomarbeit dieser Frage nachgegangen. Im ersten Kapitel ihres Textes formuliert sie ausführlicher und wissenschaftlicher, als ich dies zuvor getan habe, die Grundlagen der
Resilienz bei der einzelnen Person.
Interessant ist ja, dass es offenbar Menschen gibt, die niemals abknicken wie die Birke, sondern sich trotz schwerer Schicksalsschläge immer wieder aufrichten wie der Bambus, und es ist sehr anschaulich beschrieben, dass die „aktive Bewältigung und Gestaltung des sogenannten neuen Lebens (nach einschneidenden
Lebensbedingungen und Veränderungen im Leben)durch effektiven Gebrauch der internen und externen Ressourcen“ ein wichtiges Element bei der Bewältigung von Lebenskrisen ist und welche Faktoren hier zusammentreffen.
„Der Forschungsansatz zu Resilienz beschäftigt sich mit der Frage, warum manche Menschen trotz hoher körperlicher und seelischer Belastungen dennoch gesund bleiben. Inwieweit Vulnerabilität kompensiert, Beeinträchtigungen durch Aktivität in der Selbsthilfe überwunden und eine bessere Lebensqualität erreicht
werden können, ist nun der Gesichtspunkt der Betrachtung.“

Die Autorin bestätigt, dass die Selbsthilfegruppenarbeit mit ihrer gesundheitlichen Wirkung gemeinschaftlicher Selbsthilfe von großer Bedeutung für die Gesundheitsentstehung ist. Sie schildert, dass der Rahmen der Selbsthilfe Aktivitäten umfasst zur Bearbeitung von persönlichen Konflikten und seelischen Störungen, zur Aneignung von Informationen und Kompetenzen, zum Aufbau neuer sozialer Kontakte und zum Einwirken auf gesellschaftliche Missstände bzw. Politik.
Es geht um die Durchsetzung von Interessen der Bürger, die entweder Defizite in der Versorgung oder schwierige psychosoziale Situationen bewältigen müssen. Es stellt sich die Frage, was Selbsthilfe bewirken kann, und was in Selbsthilfegruppen geschieht. Und nach der Schilderung der Regeln und Arbeitsweisen,
die in Selbsthilfegruppen gelebt werden, beschreibt die Autorin, wie sich konstruktive soziale Beziehungen entwickeln und Selbsthilfepotenziale ausgeschöpft werden können, und sie schildert auch noch den wichtigen Effekt, dass Teilnehmer/innen sich Informationen, Wissen und Kompetenzen im Umgang mit der Lebenssituation und einer Krankheit aneignen können.
„Menschen finden aus ihrem Leidensdruck heraus und können das eigene Handeln, und das, was um sie herum geschieht, besser einschätzen und einordnen, indem sie sich öffnen und eine reflektierende Betrachtungsweise entwickeln.“
Eine sprachlich wundervolle Schlussfolgerung aus all dem findet man in diesem Text: „Bei der gemeinschaftlichen Problembewältigung in Selbsthilfegruppen entstehen Werkstätten der Kohärenz“. Es folgt ein kurzer Absatz mit dem Inhalt, dass die Personen, die an Selbsthilfegruppen teilnehmen, sich verstanden fühlen und sich erklären können, was ihnen widerfahren ist. Das Gefühl der Gemeinsamkeit wird ebenso beschrieben wie die gemeinsame Bewältigbarkeit des Problems und auch der Umgang mit dem Stress der Erkrankung in Gemeinschaft.
Und so wird übergeleitet zu fünf Credos von Selbsthilfegruppen, welche die drei Faktoren des Kohärenzgefühls unterstreichen (und die zu den sieben Schlüsseln der Resilienz passen):
1. Credo: Nur du kannst es, aber du kannst es nicht allein (Selbsthilfe- und Gemeinschaftsorientierung.)
2. Credo: Ich für mich – Du für dich – wir für uns (Selbstbestimmung und Gemeinschaftsverantwortung)
3. Credo: Gemeinsam sind wir stärker (Gruppenzusammenhalt, Solidarisierung, Wille, sich selbst zu behaupten)
4. Credo: Reden hilft (persönliche Offenheit, Aufhebung von Islolation)
5. Credo: Mut zum Tun (aktiv sein, Mut zum Handeln, Hoffnung haben)

Sind diese 5 Credos nicht wunderbar? Sie passen wirklich wunderbar zu unserem Tun in unserer Selbsthilfegruppe!
Und die Autorin beschreibt schließlich noch, dass sich Selbsthilfegruppen-Teilnehmer/innen gegenseitig stärken durch Gruppenzusammenhalt und Solidarisierung. Sie übernehmen Verantwortung für sich selbst und für andere. Sie leben eine Offenheit und brechen dadurch Isolation auf, und sie arbeiten lösungsorientiert, indem sie aktiv werden, handeln und Hoffnung haben.
Die Selbsthilfegruppen-Mitstreiter erhalten Kompetenzen in der Kommunikations- und Problemlösefähigkeit.
Sie befähigen sich und werden befähigt, selbst zu planen und zu organisieren. Sie erhalten dadurch mehr Selbstvertrauen und Selbstsicherheit. Die durch die Mitarbeit in einer Selbsthilfegruppe wachsende Akzeptanz der Problemlage eröffnet Optimismus und Lösungsorientierung.
Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass die Autorin auch Resilienz hemmende Aspekte in der Selbsthilfe aufgezeigt hat. Ich möchte diese aber an dieser Stelle nicht erwähnen, denn ich darf mir die Freiheit nehmen, dort aufzuhören, wo ich angefangen habe: Dass sowohl eine Mitgliedschaft in unserer Selbsthilfegruppe als auch eine aktive Mitarbeit in unserem Verein (trotz aller damit zusammenhängenden Arbeit) am Ende meine eigene Resilienz stärken kann und ich daran lernen und wachsen kann.
Deshalb schließe ich mit einem Zitat aus der Diplomarbeit: „Die Zuversicht, für sich etwas Hilfreiches zu tun, um mit einer schwierigen Situation besser leben zu können, und zusammen mit anderen Bewältigungsstrategien, Wissen und Kompetenzen zu entwickeln, erzeugt ein Mehr an Gesundheit.“


Wir bedanken uns bei der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. für die freundliche Genehmigung,
Passagen des Beitrags „Resilienzentwicklung durch Selbsthilfe“ von Kerstin Keup, erschienen im Selbsthilfegruppenjahrbuch 2010, abzudrucken.

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