Info für Achalasiebetroffene mit leichterem Krankheitsverlauf und für Betroffene im Anfangsstadium der Achalasie
Mit diesem Beitrag sollen Menschen angesprochen werden, bei denen eine Achalasie vermutet wird oder die sich mit den typischen Schwierigkeiten im Anfangsstadium der Erkrankung befassen.
Ebenso diejenigen, die von einem leichteren Krankheitsverlauf betroffen sind und dabei ihre sehr eigenen Fragen stellen.
Die Achalasie Erkrankung beginnt nicht mit einem eindeutigen plötzlichen Ereignis, sondern entwickelt sich meist schleichend im Verlauf von Wochen, Monaten vielleicht sogar Jahren. Manchmal lassen sich parallel dazu andere gesundheitliche Ereignisse, berufliche und familiäre Belastungen etc. als vermutete Auslöser registrieren. Vom Moment des Erkennens der Schluckstörung bis zur Diagnose vergeht oft eine lange Zeit.
In dieser Phase der Unsicherheit versucht mancher die Symptome zu verdrängen, stellt verschiedene Vermutungen an, probiert Veränderungen des Essens und Trinkens, beobachtet und verändert einige Dinge im Alltag, kommuniziert mit Angehörigen, mit Fachleuten und vieles mehr.
Die Konsultation von Ärzten führt mit etwas Glück schnell zu einer klaren Diagnose, manchmal aber auch zu Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen. Neben den Behandlungsempfehlungen von fachlicher Seite steht immer auch das eigene Körpergefühl im Mittelpunkt einer neuen Lebenserfahrung. Sehr schwer kann diese seltene Erkrankung in ihren Auswirkungen auf die eigene Person realistisch eingeschätzt werden, weil es - genau genommen - sehr viele unterschiedliche Ausprägungen gibt.
Als natürliche Folge entsteht bei vielen Betroffenen ein Gefühlsmix, der sehr unterschiedlich zusammengesetzt sein kann:
Angst vor den ungewissen Einschränkungen, Angst vor schmerzhaften Behandlungen, Angst vor Verschlimmerung, Sorge um die Existenz, Sorge um Verlust von Lebensqualität – es entstehen aber auch optimistische Haltungen, Zuversicht der Besserung, Resilienz, Vertrauen auf angemessene Hilfen, Vertrauen auf Unterstützung in der Familie, Hoffnung auf verbesserte Gesundheitsversorgung und Hoffnung, dass alles nicht so schlimm wird. Je nach Lebenssituation und Persönlichkeit wird jeder mit seinen sehr eigenen Empfindungen zu tun haben.
Sicher gelingt es einigen, geringe Schluckstörungen mit eigenen Tricks und selbstgefundenen Methoden zu kompensieren und irgendwie damit zu leben.
Wer sich über das Krankheitsbild und dessen typische Verläufe informiert, stößt auf eine Vielfalt von sehr unterschiedlichen Darstellungen. Viele Kliniken berichten über die Achalasie und beschreiben ihre diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten. Bei Recherchen lassen sich unterschiedliche Strategien von Kliniken erkennen. Generell werden aber nur die 3 wichtigsten Typen der Achalasie nach der Chicago Klassifikation genannt. Dabei sind dann die schwerwiegenden Verläufe der Achalasie angesprochen, bei denen wirklich klinische Hilfe notwendig ist.
Alle leichteren Verläufe werden nirgends klassifiziert beschrieben und differenziert. Auch klinische Studien sagen über das Verhältnis von leichten, mittleren und schweren Verläufen nichts aus.
Möglicherweise macht man sich als Betroffener auch darüber Sorgen, dass Informationen im Internet durch spezielle Interessen (z.B. wirtschaftliche Faktoren) beeinflusst sein können.
Auch die leitenden Mitglieder der Achalasie-Selbsthilfe haben sicherlich nur einen eingeschränkten Blickwinkel auf die Relation von leichten und schweren Krankheitsverläufen:
Wer mit kleinen Einschränkungen durch die Erkrankung zurechtkommt, meldet sich in der Regel nicht bei der Achalasie-Selbsthilfe (es wäre ja schön, wenn sie es machten...).
Trotzdem hat sich bei der Achalasie-Selbsthilfe ein langjähriges Erfahrungswissen angesammelt. Alle erinnern sich an die Entstehungszeit der Erkrankung und geben diese Erfahrungen gerne auch an Neubetroffene weiter, die sich mit Anfragen über die Website melden.
Nachfolgend soll auf den Bedarf von Achalasie-Betroffenen im Anfangsstadium, in der Phase der Diagnostik und der Suche nach geeigneter Therapie bei leichten Verläufen eingegangen werden.
1. Der Irritation durch die unklaren und undefinierbaren Symptome kann durch offene Kommunikation mit Angehörigen und ärztlichen Fachleuten begegnet werden. Obwohl manche peinliche Situation (z.B. im Kollegenkreis) lieber verborgen bleiben möchte, ist Offenheit die weiterführende Strategie. Über seltene Erkrankungen wissen wenige Bescheid aber die Suche nach jemandem mit Erfahrung ist dennoch sinnvoll. Gleichzeitig lernt jeder, seine Beschwerden differenzierter zu beschreiben.
2. Der Vergleich mit anderen Krankheitsverläufen zum Thema Schluckstörungen kann zu einer Annäherung an die Diagnose führen. Die Beschäftigung mit Therapieverfahren führt oft nicht weiter, auch die Vermutungen psychosomatischer Ursachen sind wenig weiterführend.
3. Die unvermeidlich auftretenden Ängste und Befürchtungen sind Teil der Realität. Verständnisvolle Gesprächspartner helfen dabei weiter. Die Schritte der Informationsgewinnung zu eventuellen Diagnosen und Prognosen dazu geben wieder Sicherheit.
4. Von großem Einfluss in dieser Orientierungsphase ist die Ausprägung der eigenen Persönlichkeit. Manche Menschen geraten in einen Bewegungssturm, suchen intensiv und fast verzweifelt nach allen möglichen Meinungen, um keine falsche Entscheidung zu treffen. Andere versuchen eher den Weg des Stillhaltens und Abwartens in der Hoffnung auf ein sicheres Gefühl für die richtige Entscheidung. Jeder darf und sollte sein sehr persönliches Prinzip für seine Nähe und Distanz zur Erkrankung entwickeln dürfen.
5. Wenig Wissen gibt es über mögliche Konsequenzen bei Nichtbehandlung einer leichten Achalasie.
6. Häufig ergibt sich bei fortschreitender Verengung des Mageneingangs eine Notwendigkeit zur Dilatation. Die Entscheidung für den richtigen Moment für diesen Eingriff kann nicht eindeutig aus einer Magenspiegelung abgeleitet werden. Auch die Breischluckröntgenaufnahme zeigt nicht den wirklichen klaren Befund für den richtigen Zeitpunkt. Eher ist es das subjektive Gefühl des Patienten, dass die Staus des Speisebreis und die damit verbundenen Schmerzen unerträglich geworden sind, auf das sich auch Gastroenterologen verlassen können.
7. Ein Teil der Neu-Betroffenen möchte möglichst die therapeutischen Angebote von visceralmedizinischen Abteilungen der Kliniken vermeiden und sucht zunächst nach Möglichkeiten der Naturheilkunde. Manchmal wurden gute Erfahrungen gemacht mit Osteopathie und Entspannungstechniken. Ein Versuch damit kann durchaus lohnenswert sein. Über Wirksamkeitsnachweise gibt es derzeit leider keine systematischen Erhebungen, die für die Achalasie aussagefähig sind.
8. Es existieren leider auch keine gezielten Studien über Langzeitverläufe der Achalasie. Ob sich die Dynamik der Speiseröhre oder das Verhalten von Operationsnarben im Alter verändert, ist bisher nicht systematisch erforscht worden.
9. Die Achalasie gilt als gutartige Erkrankung. Von medizinischen Fachleuten werden dabei aber vorwiegend die Therapieoptionen bei den schwereren Verläufen beschrieben. Über positive Verläufe, bei denen sich die Verengung zurückgebildet hat oder zu einem erträglichen Stillstand gekommen ist, gibt es nur vereinzelte persönliche Berichte. Vermutlich gibt es aber durchaus Betroffene, die mit einer geringen Ausprägung der Erkrankung ganz gut leben können. Ebenso gibt es eine unbekannte Zahl von Betroffenen, die nach einer oder mehreren Dilatationen ein einigermaßen normales Leben führen können und keine Operation benötigen.
10. Weil epidemiologische Erhebungen nicht ausreichend für seltene Erkrankungen wie die Achalasie durchgeführt werden, bleiben viele Fragen offen, die sich vor allem Neubetroffene stellen. Derzeit zeichnet sich der Achalasie-Selbsthilfe Verein durch die Einführung von empirischen Fragebogen aus. Zusätzlich werden Informationen aus dem Erfahrungsaustausch der Regionaltreffen ausgewertet. Dadurch entsteht ein großer Pool an hilfreichen Daten.
Es wäre sehr, sehr nützlich, wenn Erfahrungsberichte mit heilsamen Verläufen, auch Verläufe mit geringen Auswirkungen und originellen Interventionen an den Verein geschickt würden und dann im Ergebnis allen Suchenden vermittelt werden könnten.